Schau dir an, was das alte Wörterbuch der Brüder Grimm an Schönwörterei zu bieten hat.
An diesem Beitrag habe ich lange gearbeitet. Vielleicht ist diese Sammlung deshalb eine meiner liebsten. Hier ist die deutsche Sprache am schönsten, am bildhaftesten und zweifellos am kreativsten.
Die schönsten Wörter als Buch …
Die schönsten Wörter habe ich in zwei Büchern gesammelt. Es sind wunderbare, seltene, originelle und alte Wörter aus der deutschen Sprache. Eine wunderzierliche Silbenzauberei. Sind diese Wortherrlichkeiten nicht viel zu schön, um dem Vergessen anheimzufallen? Hier sind die funkelndsten Juwelen unserer Sprache. Mehr erfahren
Das Deutsche Wörterbuch (DWB) der Brüder Grimm wurde 1838 begonnen. Abgeschlossen wurde es erst 1961 + nachfolgende Neubearbeitungsversuche. Der sogenannte Grimm enthält, je nachdem wen man fragt, bis zu 450.000 Stichwörter und ist seinerzeit in 33 Bänden gedruckt worden. Heute steht alles im Internet (inklusive einiger Linkfehler). Siehe auch: 99 Worte, die wohl nur ältere Leute noch kennen und verstehen
Hier habe ich eine bescheidene Blütenlese zusammengestellt. Was das betagte Wörterbuch an Schönheiten zu bieten hat, kann sich sehen lassen. Die Auswahl ist so groß, da ist vieles, das heute noch verwendet werden kann und wird. Doch eine erhebliche Anzahl von Wörtern ist völlig in Vergessenheit geraten, obwohl wir sie problemlos verstehen können – sofern der Sinnzusammenhang besteht. Hier sind Worte wie Träume.

Es sind Wörter, die ich beim Suchen nach Begriffen nicht in eine passende Wortliste unterbringen konnte. Solche, die ich mehr herausstellen wollte. Oder solche, auf die ich durch Zufall gestoßen bin. Neugieriges Blättern genügt dazu schon. Man braucht nur etwas Muße.
Die Begriffe stammen teils aus dem früheren Wortschatz, zu einem andere Teil aber aus den Werken von Schriftstellern. Einige prägten neue Wörter, J. W. von Goethe oder Jean Paul zum Beispiel. Ein Urheberrecht liegt nicht (mehr) darauf. Wir dürfen uns also bedienen.
Manchmal macht es einfach nur Freude, die versunkenen Sprachschätze zu betrachten. Selbst nutzen muss man sie nicht. Kann es aber jederzeit in jedem Text tun … Siehe auch:
- 49 schwärmerische Buch- und Bücherworte – Wörter mit Buch* und Büchern
- 79 Wortwörter – Treffende Wörter mit Wort*
- Die poetischen Wörter der deutschen Sprache
Liste besonders schöner Begriffe aus dem Grimmschen Wörterbuch, die (fast) niemand kennt
Kriterien für die Auswahlen waren: 1.) Selten anzutreffen und heutzutage weitgehend unbekannt, wenige Google Fundstellen. 2.) Im Grimm enthalten. 3.) Klang- oder bildschön. Einige der Erläuterungen stammen von mir oder wurden angepasst, um verständlich zu sein. NEU: Es gibt einen 2. Teil mit noch mal 99 Wörtern aus dem Grimm.
- Blütenalter (die Jugend eines Menschen)
- Bubenfreude (Schadenfreude)
- Dämmerröte (der erste rote Morgenschein)
- dankbeflissen (mit Eifer sich dankbar zu erweisen)
- dörrsommerig (Bezeichnung für einen im heißen Sommer gewachsenen Wein)
- engelstill (engelsgeduldig)
- Federloch (verächtlich für Bett)
- federstill (windstill)
- Fuchsschwänzer (einer, der sich heuchlerisch freundlich stellt, Schmeichler)
- Fuchsschwanzstreicherin (eine kriechende Schmeichlerin)
- fuchszunderrot (überaus fuchsrot)
- Galgenglück (Diebsglück, das dem Dieb, der schon hängt noch den Strick reissen lässt)
- Gassenstolzierer (einer, der stocksteif durch die Gassen marschiert)
- Gemütslustigkeit (Gemütsergötzung, Lustbarkeit)
- Geschenkforderer (einer der Geschenke verlangt)
- geschwindfüssig (schnell zu Fuß sein)
- Glanzbegierde (Prunksucht)
- Glückseligkeitslust (Lust an der Glückseligkeit)
- glückstraumtrunken (besoffen vor glücklichen Vorstellungen)
- goldensonnig (poetische Zusammenrückung: Im Eindruck des goldensonnigen Herbsthimmels )
- goldschön (schön wie Gold, auch güldenschön)
- Gottesackerstille (Friedhofsruhe)
- Grimmbart (alter grimmiger oder mürrischer Kerl)
- grimmschnaubend (zornig)
- Himmelsphantasie (ein himmlisches Luftgebilde)
- jammerbleich (bleich von Jammer)
- Jammerdecke (Decke mit der im Schmerze das Haupt verhüllt ist)
- Jammerwelt (eine Welt voll Elend oder Herzeleid)
- Kitzelfreude ( sinnlicher Liebesgenuss)
- kitzelfroh ( froh des Kitzelns sein, Spaß am Kitzeln haben)
- kitzelgierig (lüstern, nach Liebeskitzel gierig)
- kraftbeseelt (von Kraft beseelt, durchströmt, belebt)
- Krafthase (Schwächling. Nach Georg Christoph Lichtenberg † 1799)
- Kummertuch (Alternative für Hungertuch, am Kummertuch nagen)
- lichtumflossen, lichtumglänzt
- Luftpferd (Pegasus)
- Lustgänger (Spaziergänger)
- Lustigmacher (Possenreißer, Komiker, Spaßmacher)
- Maienfrührot (frührot, Morgenröte im Mai, vom Maienfrührot angelächelt.)
- Maienjahr (Jahr der blühenden Jugend, aus der Erinnerung)
- meerüberflatternd (Möwen fliegen über das Meer)
- Mondscheinsschimmer (Sprachbild in einem Wort. Erklärt sich selbst.)
- Morgenwehen (das Wehen der Luft zur Morgenzeit, Wind am Morgen )
- müßiggängerisch (untätig sein, faulenzen)
- Muttermensch (ähnlich wie Mutterseele: Kein Muttermensch hats bemerkt)
- muttermild (mild, weich, sanft wie eine Mutter)
- nachtbedeckt (mit Nacht, mit Finsternis bedeckt)
- nachtgründig (nachtgründig trauernd und lauernd, unheilkündend und böse)
- Nachtlust (nächtliches Vergnügen)
- nachtschimmernd (bei Nacht schimmernd)
- Plapperkopf (Plapperer, Schwätzer oder Schwätzerin, wie Plappermaul )
- Reisemerkwürdigkeit (was einem auf der Reise merkwürdig, der bemerkung wert erscheint)
- Reisemorgen (der Morgen eines Reisetages)
- rosenweiß (unschuldig, so rosenweiß wie deine Seele)
- Schauergefühl (das Gefühl des Schauers, Schrecken)
- Scheinhut (Strohhut zum Schutze gegen den Sonnenschein; auch Schattenhut, Sonnenhut)
- schicksalverwünschend (das Schicksal verwünschend)
- schillerfarbig (von schillernder Farbe)
- schillerglanz (schillernder Glanz)
- Schimmelkopf (Graukopf, grauhaariger Mensch)
- Schimmerglück (mehr scheinendes als seiendes Glück, scheinbares Glück)
- Schimmernacht (schimmernde Nacht, nach J. Paul)
- Schimmerstern (ein schimmernder Stern)
- schlaflustig (Schlaflust empfindend, Lust auf Schlaf haben)
- Schlitterschlatter (unnützes Gerede, Gewäsch)
- Schmerzenskuss (wurde zu der Grimms Zeiten noch Schmerzenskusz geschrieben)
- Schmollkämmerchen (statt Schmollwinkel)
- schwatzsüchtig (Steigerung zu schwatzhaft)
- Schwatzwinkel (abgelegenes Eckchen, wo man sich zu traulichem Geplauder zusammenkommt)
- Schweigeblick (schweigender Blick)
- Silberhalbmond (poetische Mondbeschreibung)
- sonnübersponnen (von der Sonne überschüttete Welt oder Natur)
- sonnumflossen (Es naht der Tod! Leb wohl, du sonnumflossne Welt!)
- spielselig (glücklich beim Musizieren)
- stillbeißig (Hunde, die nicht bellen, aber beißen sind stillbeißig)
- stillentzückt (stumm vor Entzücken)
- stilleuchtend (leuchtend, aber ohne Geräuschentwicklung; auf den Mond bezogen)
- stinkstolz (übermäßig stolz sein)
- Tausendlust (tausendfache, sehr große Lust)
- Tollhäuslergeschwätz (Gerede von Irren oder solchen, die ins Irrenhaus gehören)
- Tollmutter (Aufseherin im Irrenhaus)
- Tongefunkel (funkelnde Klänge, Musik)
- Trostgeflüster (… der Liebe schmeichelndes Trostgeflüster)
- Wackelsinnigkeit (Unbeständigkeit)
- Watschelbübchen (ein kleiner Junge wenige Jahre alt)
- wetterhähnisch (abtrünnig, wankelmütig)
- Windbraue (Wimper)
- Windmacher (Prahler, Aufschneider)
- windmacherisch (angeberisch, aufschneiderisch)
- wohldienerisch (schmeichlerisch)
- wohlschicklich (durchaus geziemend, sehr passend, schicklich)
- Wolfsschweif (der den Himmel überfahrende erste falbe Morgenschimmer, der wieder verschwindet … der lügende Morgen.)
- wonnebebend (vor Wonne, Entzücken, Vergnügen bebend)
- Wonnegarten (Paradies oder Lustgarten)
- Wundergaukelei (Aberglauben)
- wundergolden (wunderschön goldfarbig)
- zauberduftend (wohlriechend)
- zauberumstrickt (von Zauberei zum Beispiel weiblicher umfangen, eingehüllt)
- Zuckerzierlichkeit (Zuckerwerk, kunstvolle Süßigkeiten – nach Goethe)
NEU: Es gibt einen 2. Teil mit noch mal 99 Wörtern aus dem Grimm.
Wörter aus dem Grimmschen Wörterbuch in alten Texten
Hab‘ alles Glück der Welt im Arm, So liebe-, himmels-, wonnewarm!
nach J. W. von Goethe
Unvergeßliche! Sie haben in der Schimmernacht, wo mein Herz zweimal erlag einem Menschen ein Eden gegeben, das hinausreicht über sein Leben.
Jean Paul Richter, Hesperus, 1795
Eine weiche Maienluft, würzige Blütendüfte drangen herein, die Natur wusste nichts von dem Jammer der Menschen, und der Jammer der Menschen wusste nichts von dem Frieden der Natur. Die halbe Scheibe des abnehmenden Mondes zog stilleuchtend gen Westen hin. Die Dorfuhr schlug zwei.
Louise von François: Fräulein Muthchen und ihr Hausmeier, vor 1893
Werkstattbericht 🔧
Die im Beitragsbild verwendete Grafik stammt von Pixabay. Der märchenhafte Stil erinnert an ein anderes, viel bekannteres Buch der beiden Grimms. Die Google Fonts sind BenchNine und PT Sans. Recherche siehe oben.
Jetzt kostenlos reinlesen!
Hier ist die Leseprobe der wunderzierlichen Silbenzauberei. Download (PDF aus VOL. 1)