Wenn es um schöne Wörter geht, darf er natürlich nicht fehlen, der Meister aller Klassen der Klassik. Johann Wolfgang von Goethe.
Ich hätte es allein niemals geschafft, Goethes Werk auf schöne Wörter hin durchzulesen, das hätte ewig gedauert. Aber ich musste es nicht tun, denn jemand hatte Vorarbeit geleistet. Mein Dank gilt posthum Johann August Otto Leopold Lehmann. Sein Buch wurde leider in Fraktur gesetzt, was das Lesen arg erschwert, es erschien 1852 in Berlin. Heute kann man es online bei Google einsehen: Goethes Sprache und ihr Geist.
Für meine Absichten interessant ist die dritte Abteilung seines Werkes, sie ist überschrieben mit “Wortreichtum”. Zum Abgleich habe ich das großartige, leider noch unfertige Goethe Wörterbuch (GWb) aus Trier verwendet und Google Books, um Zitate zu finden. Siehe auch:
- Die ausnehmend schönen Worterfindungen des Dichters Rückert
- Die bewegend schönen Worterfindungen des Dichters Rilke
- Sprachschöpfer Jean Paul: Meister der Neologismen
Von Goethe verwendete oder gebildete kreative Subjektive
Dies ist eine Auswahl. Hier ist enthalten, was ich verstehen und einordnen konnte – und darüber hinaus auch mochte. Einige Wörter wurden im Original mit Bindestrichen geschrieben, laut GWb handelt es sich dennoch um Komposita, dieser Auffassung schließe ich mich an.
- Abendwindeskühle
- Ameiswimmelhaufen
- Anmutigkeit (Anmut)
- Blümelei (Blumenstreuerei)
- Erinnerungserbauung
- Erinnerungsfreude
- Erinnerungslächeln
- Fettbauchkrummbeinschelm (Goethe als Rassist, wie man heute zu sagen pflegt, denn mit diesem Worte charakterisierte er die Pygmäen.)
- Feuerwirbelsturm (Dann fort mit ihr im Feuerwirbelsturm!)
- Flügelflatterschlagen (Mordgeschrei und Sterbeklagen! / Ängstlich Flügelflatterschlagen!)
- Flüsterzittern (Wir in dieser tausend Aste Flüsterzittern …)
- Fratzengeisterspiel (Machst du’s doch selbst das Fratzengeisterspiel!)
- Frühlingssonnenstunde (laut GWb: ein dichterisches Bild für die unbeschwert-heitere Jugendzeit)
- Fühlbarkeit (Sentimentalität)
- Gelindigkeit (Milde, Nachsicht)
- Getümmelwoge (indessen Du in Prachtherrlichkeit, Trommelrausch und Getümmelwoge der Königstadt dich umtreibst und umgetrieben wirst …)
- Hungermann (Was fängt der an der magre Tor! / Hat so ein Hungermann Humor?)
- Irrfunkenblick (Irrfunkenblick an allen Enden, / Ein Leuchten plötzlich zu verblenden.)
- Katzenbuckelgebärde (Haltung des Katzbuckelns, Schmeichelns)
- Kaufmannsdieneraufmerksamkeit (erhöhte Wachsamkeit)
- Knabenmorgenblütenträume (aus dem Gedicht Prometheus; laut GWb: poetisch für frühe, kindliche Lebenserwartungen und Idealvorstellungen; als emphatische Verstärkung zu Blütentraum)
- Kümmerei (kleinliches Tun, ängstliche Tadelei)
- Liebetoben (Ich fühl im Herzen heißes Liebetoben)
- Lügenkünstler
- Lügenschauer
- Lumpwurm (kleiner, mickriger Wurm)
- Mannweiblichkeit (die Mannweiblichkeit, die ruhige Fülle ihres Daseins …) (passt perfekt in unsere verwirrte Zeit)
- Mondmitternachtsgespräch
- Morgenflügel (Wenn die Sonne sich auf Morgenflügeln …)
- Morgennebelduft (Im Sonnenglanz, durch Morgennebelduft.)
- Morgennebelung (Morgennebelung verblindet / Mir des Blickes scharfe Sehe.)
- Pappelzitterzweig (Säuselt leichte Weidensträuche, / Lispelt Pappelzitterzweige)
- Prachtherrlichkeit
- Rabentraulichkeit (Mir schaudert vor dem garstigen Kunden / Und seiner Rabentraulichkeit.)
- Säuselschweben (Wir in dieser tausend Äste Flüsterzittern, Säuselschweben)
- Selbstler (Egoist)
- Tabaksrauchsbetrachtung
- Täglichkeiten (Alltägliches)
- Ziegenfüßlerin (Kommt hervor mit Ziegenfüßlern, schwenkend Ziegenfüßlerinnen)
- Zweigesang (Duett)
- Zwiefalter (Schmetterling)
Auch interessant zu wissen
- Hier ist ein Artikel der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen über Goethes Wortschatz.
- Goethe erfrischend modern betrachtet, hier aus Sicht eines Finanzbloggers.
- 10 der schönsten und bekanntesten Frühlingsgedichte ins Bild gesetzt natürlich mit Goethe.
Goethe Zitate
Und wenn es dir und deinen Freunden schwüle
Am Mittag wird, so wirf ihn in die Luft!
Sogleich umsäuselt Abendwindeskühle,
Umhaucht euch Blumenwürzgeruch und Duft.
aus dem Gedicht: Zueignung
In goldnen Frühlingssonnenstunden
Lag ich gebunden
An dies Gesicht
In holder Dunkelheit der Sinnen
Konnt ich wohl diesen Traum beginnen
Vollenden nicht
West-östlicher Divan, 1819
Indes wir, dem Ungeheuren unterworfen, kaum auf- und umschauen, was zu tun sei und wohin wir unser Bestes von Kräften, Tätigkeiten hinwenden sollen, und des höchsten Enthusiasmus bedürftig sind, der nur nachhalten kann, wenn er nicht empirisch ist, nagen zwar keine Lind-, aber Lumpwürmer an unsern Täglichkeiten.
Aus dem Nachlaß: Über Literatur und Leben
Werkstattbericht
Das Beitragsbild verwendet ein Gemälde von Karl Joseph Stieler. Es wurde 1828 gemalt und ist gemeinfrei. Die verwendeten Google Fonts sind BenchNine und PT Sans. Recherche via Google Booksearch, Goethe-Wörterbuch (GWb), Goethes Sprache und ihr Geist von Johann August Otto Leopold Lehmann und Deutsche Wortgeschichte. Band 2 herausgegeben von Friedrich Maurer und Friedrich Stroh.