Rilke … 41 bewegende Worterfindungen aus Gedichten

Rilke ... 41 bewegende Worterfindungen aus Gedichten

Rainer-Maria Rilke erfreut sich in unserer Zeit immer noch einer bemerkenswerten Beliebtheit als Dichter, auch wenn die meisten seiner Texte inzwischen über hundert Jahre alt sind. Rilke starb 1926.

Rilke hat sich auch als Worterfinder hervorgetan. Ich habe nicht alles gelesen, aber so manches Buch auf der Suche nach Schönwörtern hin durchkämmt. Die meisten dieser Begriffe stammen aus Gedichten. Vieles kann online gelesen werden, etwa bei Wikisource oder Projekt Gutenberg.

Schöne Wörter Bücher Eine Bibliothek der schönen Wörter … Ja, es gibt sie noch, die schönen Wörter. Begriffe mit dem besonderen Klang. Wörter, die Sehnsüchte und Erinnerungen in uns hervorrufen. Die Welt von damals, sie ist noch vorhanden. Erinnerungen an Altes und längst Vergessenes. Was verloren ging, ging nie ganz, die Sprache bewahrt es für uns. Hier ist eine wunderfrohe Blütenlese in Buchform mit den schönsten Wörtern der deutschen Sprache. Jetzt ansehen

Diese Sammlung ist nicht vollständig. Die Wörter stehen hier als Beispiele für Rilkes Erfindungskunst. Vor der Jahreszahl steht jeweils das Werk, aus dem der Begriff stammt.

Hier ist, was ich gefunden habe. Siehe auch:

Liste mit Schönwörtern, die mutmaßlich und wahrscheinlich von Rilke geprägt wurden

Diese Sammlung ist nicht vollständig. Nimm die Wörter als Beispiele für Rilkes Erfindungskunst. Vor der Jahreszahl steht jeweils das Werk, aus dem ein Begriff stammt.

  1. abendblass (abendblasse Scheiben) Larenopfer, 1895
  2. angelheiser, von einer Tür gesagt … Traumgekrönt, 1897
  3. Blätterleichenschau (Das Regenwasser röchelt in den Rinnen, / der matte Wind hält Blätterleichenschau) Larenopfer, 1895
  4. Dämmerdustgeschwel, Larenopfer, 1895
  5. Duftgehege, Traumgekrönt, 1897
  6. Flockenherde, gemeint ist eine Ansammlung von Schneeflocken, Advent, 1898
  7. frühfrostfahl, Advent, 1898
  8. Frühgras, Duineser Elegien, 1923
  9. frühverblaßt, Traumgekrönt, 1897
  10. glanzdurchsprüht, Traumgekrönt, 1897
  11. glückverschneit (In unsrer Brust liegt glückverschneit / goldsonniges Verstummen.) Traumgekrönt, 1897
  12. Götterbildermarmorweiße, Traumgekrönt, 1897
  13. goldübersonnt, Aus einem April
  14. Händeineinanderlegen, Advent, 1898
  15. Halbverweinter (ein Lächelnder und doch ein Halbverweinter) Das Stunden-Buch, 1905
  16. Heimwehaugen, Advent, 1898
  17. jubelschrill, Traumgekrönt, 1897
  18. kinderkeusch, Traumgekrönt, 1897
  19. lachheiß (lachheiße Wangen) Tagebücher
  20. lichteslüstern (Wie die Sonne zu verdüstern / sie vermochte kühn genug, / wenn die Erde lichteslüstern / grollte unter ihrem Flug.) Traumgekrönt, 1897
  21. Lichtgetänzel, Larenopfer, 1895
  22. lichtgeweckt (Die Vögel jubeln – lichtgeweckt) Larenopfer, 1895
  23. mandelschmal (eine mandelschmale Jungfrauenhand) die Zaren, Das Buch der Bilder, 1906
  24. Morgennebeldämmern (siehe Zitate)
  25. morgenmatt (Beim morgenmatten Lampenlicht) Advent, 1898
  26. Muttermühn (Wird Dein junges Muttermühn / Kinderhemdchen säumen.) Advent, 1898
  27. schönerschreckt (Da ward auch die zur Frucht Erweckte, / die schüchterne und schönerschreckte, / die heimgesuchte Magd geliebt.) Das Stunden-Buch, 1905
  28. sehnsuchtsblass (und den Mund, den sehnsuchtsblassen) Advent, 1898
  29. Schwingenschmelze (ein Schmetterling mit blauem Schwingenschmelze) Traumgekrönt, 1897
  30. Silberfunkenkleid (die Nacht im Silberfunkenkleid streut Träume) Traumgekrönt, 1897
  31. Silberhobelspäne (und neckend streut er das Gesträhne / der weißen Silberhobelspäne) Larenopfer, 1895
  32. silberstill (an silberstillen Teichen) Advent, 1898
  33. silbersträhnig (das Mondlicht windet silbersträhnig / sich um den schwarzen Kirchturmknauf) Larenopfer, 1895
  34. silberübersät (im silberübersäten Seidenkleid) Larenopfer, 1895
  35. Stäubchentreiben (sternt es ins Stäubchentreiben oder zu mir herein?) Traumgekrönt, 1897
  36. Sterbestubenstille, Traumgekrönt, 1897
  37. sternetriefend (wenn sich die Mainacht, sternetriefend, / auf mäuschenstille Plätze legt) Traumgekrönt, 1897
  38. Träumermiene (und schaut mit ernster Träumermiene) Larenopfer, 1895
  39. waldseerein (in sein Herz, sein waldseereines) Larenopfer, 1895
  40. Weinblattdämmer (im Weinblattdämmer – du und ich – / und über uns in duftgen Ranken) Traumgekrönt, 1897
  41. wonnewild (mit wonnewilder Kraft) Traumgekrönt, 1897, das Wort findet sich auch bei Ringelnatz.
  42. Wortverworrenheit, Dass Buch der Bilder, 1906

Beispiele aus Rilkes Gedichten

Am offnen Stubenfenster lehn ich
und träume in die Nacht hinauf;
das Mondlicht windet silbersträhnig
sich um den schwarzen Kirchturmknauf.

Larenopfer: Vigilien, 1895

Klage

O wie ist alles fern
und lange vergangen.
Ich glaube der Stern,
von welchem ich Glanz empfange,
ist seit Jahrtausenden tot.

Ich glaube im Boot
das vorüberfuhr,
hörte ich etwas Banges sagen.
Im Hause hat eine Uhr
geschlagen …

In welchem Haus? …
Ich möchte aus meinem Herzen hinaus
unter den großen Himmel treten.
Ich möchte beten.
Und einer von allen Sternen

müßte wirklich noch sein.
Ich glaube ich wüsste
welcher allein
gedauert hat,
welcher wie eine weiße Stadt
am Ende des Strahls in den Himmeln steht …

Die Klage stammt aus dem Buch der Bilder, 1906

und sie sprachen mich anders an.
Ich trat in die Gasse hinaus und sieh:
die ist wie mit Saiten bespannt;
da wurde Marie Melodie, Melodie …
und tanzte von Rand zu Rand.

die Leute schlichen so ängstlich hin,
wie hart an die Häuser gepflanzt, –
denn das darf doch nur eine Königin,
daß sie tanzt in den Gassen: tanzt! …

Buch der Bilder: Der Wahnsinn, 1906

Tausend Tränen reden
ewig ungestillt, – –
und in einer jeden
spiegelt sich dein Bild.

Nachtgedanken, 1894

Dann bog sie Rosen sich ins Haar, –
Und konnte doch nie Liebe glauben
Auch wenn es tief im Frühling war.

Advent: Sie war, 1898

Mein Herz macht Sehnsucht hämmern. Was ist doch Sehnsucht? Sag! Ein Morgennebeldämmern am Liebeslenzestag.
Denn ist er dann vergangen der Nebel, der die Au bedrückt, bleibt auf den Wangen der Blumen heller Tau.
Und mildert sich das Sehnen, bleibt in des Menschen Blick wohl auch der Tau der Tränen noch lange oft zurück.

Sehnsuchtsgedanken, zitiert ist Teil V

Werkstattbericht

Das Beitragsbild stammt von Pixabay. Die verwendeten Google Fonts sind BenchNine und PT Sans. Textrecherche in Rilkes Werken via Wikisource und Projekt Gutenberg.