Zum vierten Mal bereits habe ich dir hier eine Runde besonderer, spannender, ungewöhnlicher und oft alter Wörter zusammengestellt. Begriffe, die selten verwendet werden. Wörter, die heute (fast) niemand mehr kennt.
Ein Teil stammt wieder aus dem Grimmschen Wörterbuch. Von dort stammen auch viele der Erläuterungen. Hier gilt: Obwohl man das eine oder andere kennt und versteht, zumal aus dem Kontext, werden diese Wortjuwelen nicht mehr benutzt. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Weitere Wörter habe ich an verschiedenen Orten aufgesammelt, sie ergänzen den neuen vierten Teil. Sie sind nicht alt. Selten im Gebrauch sind sie aber. Siehe auch:
- 89 selten schöne Wörter der deutschen Sprache und was sie bedeuten
- 89 selten schöne Wörter und was sie bedeuten – Teil 2
- 89 selten schöne Wörter und was sie bedeuten – Teil 3
Eine Liste selten verwendeter schöner Wörter
Ohne eine bestimmte Reihenfolge, so wie sie mir begegnet sind und so wie ich sie nach intensivem Suchen in Büchern und Lexika gefunden habe. Meine Wortneugier ist nach wie vor ungestillt. Alphabetisch sortiert.
- abendsanft (sanft wie ein Abend; das heißt bei milden Licht, nachlassendem Wind, sinkenden Temperaturen im Sommer)
- abenteuerbegeistert (freudig erregt von Abenteuern oder von der Aussicht, solche zu erleben oder wenigstens davon zu lesen)
- Bachgemurmel (das Geplätscher eines kleinen Fließgewässers)
- buchgebannt (von einem Buch in den Bann gezogen oder bezaubert sein)
- dicksatt (völlig satt)
- Fickfackerin (Ränkeschmiedin; Ränke [Mehrzahl] = Intrigen, Listen, Machenschaften)
- Flehenswunsch (Wunsch, um dessen Erfüllung eindringliche gebeten wird)
- flügelstill (mit unbewegten Flügeln dastehen; zum Beispiel ein Engel)
- flüstervoll (erfüllt von Flüstern)
- frischerdings (von Neuem, wie neuerdings)
- Frühhauch (Morgennebel)
- Frühschimmer (erste Anzeichen der Sonne am noch nächtlichen Himmel)
- Funkelhans (Branntwein)
- Funkelschein (funkelnder Schein, durch Beweglichkeit und Helle sich hervorhebender Schein)
- Funkenflinster (zitternd sich hinziehender Glanz von Funken oder wie von Funken)
- furchtbarhehr (Furcht erweckend und zugleich feierlich erhaben)
- furchtbegossen (ganz von Furcht befallen)
- Gassengänger (Nachtschwärmer)
- Gassenjungfer (Prostituierte)
- gemeinbar (gemeinsam, gemeinschaftlich)
- Gewitterlaune (die kann der Himmel haben, wenn Wolken sich auftürmen. Ließe sich aber auch übertragen bei einem Menschen feststellen, dessen Zorn sich aufbaut)
- Großmütigkeitswasser (dieser Begriff stammt aus Johann Christian Wieglebs Zauberlexikon von 1798. Gemeint ist ein Zaubertrank, der einem Mut verleiht.)
- Groschenfrau (gemietetes Klageweib bei einem Begräbnis, einer Beerdigung, damals Leichenbegängnis)
- großprächtig (eine Steigerungsform im abschätzigen Sinne zu prächtig)
- Hartmütigkeit (Verstocktheit, Eigenwilligkeit)
- heißduftend (ein Adjektiv für das, was an Gebäck oder Brot frisch aus dem Ofen kommt)
- Herzensfinsternis (Finsternis im Herzen)
- herzverzaubert (durch ein Herz verzaubert, ja so kann man sich fühlen …)
- Himmelschock! (Ausruf des Überraschens oder des Unwillens)
- kinderjung (jung wie Kinder)
- kissengedämpft (gedämpft von Kissen)
- Kistenbruder (Kamerad)
- Kistenfeger (Dieb)
- Kittelhocker (jemand, der sich gern bei Frauen aufhält)
- Lebensblüte (schönste Zeit eines Menschenlebens)
- lebenversüßend
- Lederkrachen (das Krachen der braun und hart gebratenen Haut auf einem fetten Schweinsbraten)
- Lediggänger (Müßiggänger, Nichtstuer, Faulenzer)
- Leichenhuhn (die gewöhnliche Eule und der kleine Kauz sind gemeint)
- leichtbeflügelt (mit leichten, schnellen Flügeln versehen; übertragen leicht dahin ziehend. Dazu passend gibt es: leichtbeschwingt, leichtschwebend, leichtsegelnd
leichtblütig) - Leidhaus (Trauerhaus)
- leidzerknirscht (zerknirscht, zermürbt, fertig gemacht von Leid)
- Lesebengel (Spottname für damals wohl ausschließlich männlichen Studenten und Gelehrtenschüler)
- liebesatt (vollständig angefüllt von Liebe)
- lockenlieblich (bezaubernd, liebenswert und Locken habend! Ließe sich von einem anderen Menschen, einem Kind sagen)
- Lustgänger (Spaziergänger)
- Lustgefieder (Flügel der Lust – nach Rückert)
- Marterhaus (Haus der Foltern oder Qualen)
- Martersack (Sack zum Ertränken eines verurteilten Verbrechers)
- Milchbengel (Bezeichnung eines unreifen Burschen)
- Mondscheinsschimmer
- morgenrotbestreut (lässt sich von der Landschaft, von Gegenständen oder dem Himmel sagen)
- müheschwer („Ich seh zurück, wie Jahr um Jahr so müheschwer vorüberrollte …“ Rilke )
- Nachtgefieder (Gefieder der Nacht; nächtliches, schwarzes Gefieder)
- nachtleise (leise wie in der Nacht)
- Nebelgewand (poetisch für Nebel in der Natur)
- Ränkemacherin (Ränkeschmiedin; Ränke [Mehrzahl] = Intrigen, Listen, Machenschaften)
- schattenschwer (bedrückend schattig)
- schatzfrei (frei von Abgaben)
- Schatzgeheimnis (Geheimnis von einem Schatze)
- Schimmerschein
- schleichlings (heimlich, hinterrücks)
- schlummerschwer (schwer von Schlummer)
- Schneckengänger (jemand, der langsam geht)
- Schneckentanz (Narrheit, Tollerei)
- schneckentänzisch (närrisch, töricht)
- schneefröhlich
- schwerwuchtig (schwer zu bewegen)
- seelenfinster (depressiv)
- Seelenfinsternis (Depression)
- seelenverfinstert (depressiv)
- Septemberfieber (hektisch, kurzfristig getrieben handeln)
- sommerfreudig (Freude am Sommer verspüren)
- sonnenschwer (von intensivem Sonnenschein erfüllt; und die Luft ist sonnenschwer … Rilke)
- Stelzendengler (Bezeichnung für jemanden, der einem andern einen Streich oder Schabernack spielt; auch Stelzenbeschlager)
- stillverträumt (verträumt und still zugleich)
- traumerstickt
- traumlieblich
- traumverliebt
- traumverwirrt
- verwörtern (mit leeren Worten beschönigen, wegreden)
- Waldestrost (Trost, den man im Walde findet; gibt es auch Titel eines Volksliedes)
- Weihnachtsschneien (Schneefall an Weihnachten)
- wetterfrisch (vom Wetter erfrischt – zum Beispiel ein Gesicht)
- winterfreudig (in Freude über den Winter)
- Wortbalgerei (Wortstreit, Wortgefecht)
- zauberschön (zauberhaft schön; märchenhaft schön)
- Zierbengel (stutzerhaft gekleideter und im Benehmen sich zierender Mensch)
- Zwielichtstimmung (Stimmung, die in der Dämmerung aufkommt)
Seltene alte Wörter in der Literatur
… aber das von einem schneeweißen Backenbart eingerahmte längliche Gesicht strahlt so wetterfrisch wie das eines Seemanns, die blauen Augen leuchten klar und scharf und der gewöhnlich halbgeöffnete Mund läßt eine Doppelreihe weißer Zähne sehen und verleiht der Physignomie eionen fröhlich kräftigen Ausdruck.
Aus: Daheim: ein deutsches Familienblatt, Jahrgang 1867
Draußen rauschten die Wellen der Donau ihr uraltes Lied von Werden und Vergehen. Sie trugen die Sterne mit und die weißen Wölklein, den blauen Himmel und den Mond. In heißduftenden Jasminbüschen lag die Nacht und hielt den Wind in ihren weichen Armen, daß nicht der leiseste Hauch durch die schwüle Welt ging.
Joseph Roth: Der Vorzugsschüler, 1916
Werkstattbericht
Das Beitragsbild stammt aus dem Fundus von Pixabay. Die verwendeten Google Fonts sind BenchNine und PT Sans. Recherche mit wachen Sinnen durch Bücher und Literatur, via Google und immer wieder gern im Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm.