Über die Liebe – 31 edle Minneregeln aus dem zwölften Jahrhundert

Über die Liebe – 31 edle Minneregeln aus dem zwölften Jahrhundert

Der Begriff Minne hat im Laufe der Zeit unterschiedliche Bedeutungen angenommen. Im Allgemeinen kann Minne mit Liebe gleichgesetzt werden, insbesondere mit einer Form von Liebe, die im Mittelalter und in höfischen Kreisen weit verbreitet war.

Diese altehrwürdige Vorstellung von Liebe ist heute weitgehend außer Gebrauch geraten und findet außerhalb dieser historischen Kontexte kaum Anwendung. Die Minneregeln, die diese Form der Liebe regelten, sind somit ein spannender Einblick in vergangene Zeiten und deren Liebeskonzepte.

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Zitiert werden die Regeln nach dem Schriftsteller Stendhal (Marie-Henri Beyle) und zwar aus seinem Buch “Über die Liebe”, das 1822 erschien. Die Minneregeln und -Texte sind viel älter, sie sind mittelalterlich.

Die damalige Sprache ist für uns Heutige kaum noch verständlich. Nimm als Beispiel die kurze 17. Regel “Neue Liebe verjagt die alte.” Im Ton der damaligen Zeit (nach Eberhardus Cersne) las sich das so: “Nuwe liebe trybit dye alden hyn.” Alles klar?

Stendhal übersetzte einen längeren, lateinischen Text von Andreas Capellanus, der zwischen 1174 und 1186 geschrieben wurde und in Handschriften überliefert ist. Es gibt verschiedene Übersetzungen und Versionen davon.

Minneregeln, wirklich mittelalterlich oder auch heute noch gültig?

Die Rechtschreibung folgt älteren Regeln.

  1. Die Ehe ist für die Liebe kein Hinderungsgrund.
  2. Wer nicht verschwiegen sein kann, der kann auch nicht lieben.
  3. Man kann sein Herz nicht zweimal vergeben.
  4. Die Liebe kann jederzeit wachsen oder abnehmen.
  5. Was man in der Liebe gewaltsam erringt, bietet keinen Genuß.
  6. Der Mann liebt gewöhnlich erst in voller Reife.
  7. Stirbt einer der Liebenden, so muß der Überlebende ihm zwei Jahre hindurch die Treue halten.
  8. Niemand soll ohne triftigen Grund seines Rechts in der Liebe beraubt werden.
  9. Niemand vermag zu lieben ohne Hoffnung auf Gegenliebe.
  10. Durch Geiz wird die Liebe meist aus dem Hause getrieben.
  11. Es ziemt sich nicht, die zu lieben, die man zu heiraten sich schämen würde.
  12. Wahre Liebe begehrt nach keinen anderen Liebkosungen als nach denen der Geliebten.
  13. Liebe, von der alle wissen, hat selten Dauer.
  14. Zu leichter Erfolg raubt der Liebe bald den Reiz, Hindernisse verleihen ihr Wert.
  15. Jeder Liebende erblaßt beim Anblick der Geliebten.
  16. Beim unerwarteten Erscheinen des Geliebten erbebt das Herz.
  17. Neue Liebe verjagt die alte.
  18. Verdienst allein macht der Liebe würdig.
  19. Eine erlöschende Liebe verflackert rasch und lodert selten wieder auf.
  20. Der Liebende ist immer zaghaft.
  21. Durch echte Eifersucht wächst die Liebe immer.
  22. Argwohn und seine Folge, die Eifersucht, nährt die Neigung.
  23. Wen Liebesgedanken umgarnen, der ißt und schläft weniger.
  24. Alles Tun eines Liebenden endet mit dem Gedanken an die Geliebte.
  25. Der wahren Liebe erscheint nur das gut, was der Geliebten gefällt.
  26. Liebe kann der Liebe nichts versagen.
  27. Der Liebende wird des Genusses der Geliebten nie satt.
  28. Der leiseste Verdacht weckt den schrecklichsten Argwohn des Geliebten.
  29. Wer zu sehr an Vergnügungen gewöhnt ist, den meidet die Liebe.
  30. Wer liebt, dem schwebt das Bild des geliebten Wesens immerdar vor Augen.
  31. Nichts steht dem entgegen, daß eine Frau von zwei Männern oder daß ein Mann von zwei Frauen geliebt wird.

Minnelieder: Zitate aus der Literatur

Der Vater war ein Mann von altem Schrot; er begriff kaum, was das Glühen, Sympathie, Minnegefühl und Anflammen bedeuten sollte; und wunderte sich bei deutlicherer Erklärung höchlich, daß sich sein Lottchen unterstehen sollte, ohne sein Wissen einen Liebeshandel anzufangen.

Anonymus: Ulrich von Unkenbach und seine Steckenpferde, 1800

Fruchtlos red‹ ich und erzähl‹ ich, Selten lacht sie, lobt mich nimmer, Und die Lieder, die ich singe, Sind mein einziger Gewinn; Und doch geb‹ ich minneselig Für den schwächsten Sonnenschimmer, Den ich mir von ihr erringe, Kränze, Strauß und Bänder hin.

Ernst Schulze am 16.10.1814

Wo sich so innig
Vier Augen ersehen,
Da müßen zwei Herzen gar hold einander sein.
Sie grüßen sich minnig:
Mag was will nun geschehen,
Freude und Trauern ist beiden gemein.
Da brennet die Minne so hell wie die Glut,
Noch größere Wunder die Minne da thut:
Sie läßt sich zwei Münde an einander vergessen.

Christan (oder Kristan) von Hamle (13. Jahrhundert), Vier Augen und zwei Herzen. Zitiert nach: Karl Simrock: Lieder der Minnesinger, 1857

Wo sich so innig
Vier Augen ersehen,
Da müßen zwei Herzen gar hold einander sein.
Sie grüßen sich minnig:
Mag was will nun geschehen,
Freude und Trauern ist beiden gemein.
Da brennet die Minne so hell wie die Glut,
Noch größere Wunder die Minne da thut:
Sie läßt sich zwei Münde an einander vergessen.

Christan (oder Kristan) von Hamle (13. Jahrhundert), Vier Augen und zwei Herzen. Zitiert nach: Karl Simrock: Lieder der Minnesinger, 1857

O Liebesverlangen!
In Kerker gefangen,
Sind die Augen so minniglich,
Die Lippen so wonniglich,
Die Worte die milden,
Die Locken so gülden,
Es bricht mir das Herz,
Vor Leidmut und Schmerz.

Caroline von Günderrode: Dichtungen, 1922

Werkstattbericht

Das Beitragsbild stammt aus dem Fundus von Pixabay. Die verwendeten Google Fonts sind BenchNine und PT Sans.

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